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Mutterkorn – Erfolg mit „Flood the Zone“

Es ist eine wundersame, nicht in die heutige Zeit passende Geschichte. Ein giftiger Pilz befällt das Getreide, insbesondere den Roggen – und bis jetzt gibt es keine Möglichkeit, das zu verhindern.

Es geht um den Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) und seine seit Jahrtausenden erfolgreiche Strategie der Fortpflanzung. Der Getreidepilz macht aus zwei Gründen Probleme: Er ist für Mensch und Tier tödlich giftig, wenn auch stimmt, dass die Dosis das Gift macht. Und bislang kennt die Landwirtschaft nicht das eine Mittel gegen den Befall, das auf dem Feld die Infektion verhindert oder die Mutterkornkeime abtötet.

Die Pflanzenforscherin Professor Tanja Schäfer vom Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Soest blättert bei Vortrag und Feldexkursion im Versuchsgut Merklingsen im Rahmen der Reihe „Stadt Land Grund“ ein großes Maßnahmenpaket auf, mit dem beim Roggenanbau der Befall eingedämmt werden kann. Es geht da zum Beispiel um Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Bestandsführung und Feldhygiene. Doch ausgemerzt ist das Mutterkorn damit nicht, wie sich im feuchten Jahr 2024 in den Roggenmühlen beobachten ließ.

Pilze mögen es gern feucht, doch auch in trockenen Zeiten ist das Mutterkorn im Roggenfeld sichtbar. Das harte Horn (secale cornutum) des Pilzes wächst lang und dunkel aus dem Spelz, wird mitgeerntet oder fällt auf den Boden und kann dort einige Jahre überdauern. Dieses Sklerotium bildet bei den richtigen Bedingungen im folgenden Frühjahr Fruchtkörper aus, in denen die Sporen heranwachsen, die sich während der Gräser- und Getreideblüte mit dem Wind ausbreiten und die Narben blühender Gräser und Getreide besetzen, so dass die arteigenen Pollen, die mit dem Wind über die Felder streifen, keine Chance mehr haben.

Flood the Zone – und das zur richtigen Zeit, wenn nämlich die Blütennarben der Fremdbestäuber aufnahmebereit sind. Und das unterscheidet Roggen zum Beispiel vom Weizen: Letzterer kommt als Selbstbestäuber auch mit sich allein in seiner Blase klar. Flood the Zone kann aber auch die Strategie der Lösung sein: Neue Sorten produzieren mehr Pollen und erhöhen so die Chance, dass der richtige Schlüssel ins Loch findet.

Trotz der Infektionsgefahren wird Roggen angebaut. Er ist das anspruchsloseste Getreide und kommt auch mit den klimatischen Änderungen gut zurecht. Ernährungsphysiologisch muss er sich hinter dem Weizen nicht verstecken. Und der Superior Taste des westfälischen Pumpernickels ist unerreicht.

Das Gift ist auf dem Acker, aber nicht im Lebens- und Futtermittel. Die derzeit eingesetzten Mittel, Reinigung und optische Selektion in der Mühle, sind so zuverlässig, dass die europäischen Grenzwerte für Mutterkorn und giftige Inhaltsstoffe, die kürzlich halbiert wurden, auch eingehalten werden. Also eine beherrschte Gefahr in der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelindustrie.

(Juni 2025)

"Gehörnter Roggen"

Prof. Dr. Tanja Schäfer, links

Feldexkursion am Versuchsgut Merklingsen

Alte Sorten im Roggenfeld