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Mutterkorn und Antoniusfeuer in der Soester Börde – Bilder schlagen Brücken

Quod non est in actis, non est in mundo?

Wütete das Antoniusfeuer im Mittelalter in der Soester Börde so wie in vielen Regionen in Europa? Starben hier Menschen an dieser Kriebelkrankheit, die auch Ignis Sacer (Heiliges Feuer) genannt wurde? Im Kreisarchiv ist von solchen Epidemien in dieser Gegend nichts zu finden. Eine gesegnete Kornkammer also, die Soester Börde?

Das Leiden muss fürchterlich gewesen sein, das der Verzehr des mit dem Mutterkornpilz verseuchten Roggen ausgelöst hat. Ein Kribbeln auf der Haut, als steckte man in einem Ameisenhaufen, Krampfanfälle, Gefäßverengungen bis zum Gewebetod und in der Folge abfallende Gliedmaßen. Bildlich ist der heute sogenannte Ergotismus im Isenheimer Altar von Matthias Grünewald dokumentiert, in den Werken von Hieronymus Bosch und Pieter Brueghel d.Ä.

Der Theologe und Historiker Alexander Baimann setzt sich auf die Spur des Mutterkornpilzes und nimmt bei seinem Vortrag in der Wiesenkirche die Zuhörer mit auf eine spannende Recherchereise, die auf nur wenige schriftliche Überlieferungen aufbauen kann. So ist der Anbau von Roggen im Mittelalter für die Soester Börde belegt. Und auch Krankheiten hat es hier gegeben. Als „grott sterff oder pestilentia“ geben sie aber keinen Hinweis auf die Art der Erkrankung.

Alexander Baimann nähert sich den Soester Verhältnissen über den Umweg der Verehrung des Hl. Antonius (Eremit) und des Antoniterordens. Dieser gründete sich 1089 in Frankreich als Reaktion auf das Krankheitselend und spezialisierte sich sehr erfolgreich auf die Behandlung von Mutterkornvergiftungen. Bemerkenswert ist die schnelle Ausbreitung des Ordens und seiner Spitäler – ein Indiz für Verbreitung und Häufigkeit der Mutterkornvergiftungen.

In der Soester Gegend sind die Antoniter oder ein Hospital nicht belegt. Doch wie wahrscheinlich ist ein schmales Band einer Antonius-freien Zone zwischen Münsterland und Sauerland, wo der Hl. Antonius mit Kapellen und Geschichten auch heute noch sehr präsent ist? Baimann verweist auf den Bruch der Traditionen durch die Reformation in Soest und findet die Belege für die Verehrung des Hl. Antonius. Er verortet die Antonius gewidmeten Kapellen und Altäre in Soest. Noch 1478 und 1488 folgten Gläubige den Prozessionen, bei denen „man S. Anthonius auß der Stadt träget“ in der Hoffnung, mit Frömmigkeit die drohende Erkrankung abzuwehren.

Der Hl. Antonius in der Wiesenkirche steht also nicht allein. Und der Marienaltar betont die besondere Bedeutung des Heiligen. Er ist sichtbar bei geschlossenem Altar und hält die Flamme des Ignis Sacer in seinen Händen. Und im geöffneten Altar steht er als Schnitzfigur im Zentrum neben Maria mit dem Kind, den typischen Stab in Händen und das Antonius-Schwein an seiner Seite. Unter seinem Fuß windet sich eine Kreatur, die Teufel sein kann, gehörnt mit zwei unterschiedlichen langen Hörnern, die an die Form des Mutterkorns erinnern.

Vielleicht war es das fromme Leben in Soest, vielleicht gab es mehr reiche Menschen, die sich Weizen als Brotgetreide leisten konnten, vielleicht waren die vorhandenen Spitäler erfolgreich bei den Behandlungen – was es auch war: Auch in Soest hat das Mutterkorn seine Spuren hinterlassen. (IG)